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Potsdamer Stadtschloß - pro und contra

Nachdem bereits im ABSEITS Nr. 44, Ralf dargellegt hatte, warum er sich den Wiederaufbau des Stadtschlosses nicht wünsche, gibt hier nun diesmal Lü seinen Pro-Kommentar dazu.

Pro ?, also ich habe mich dazu hinreißen lassen das Stadtschloß im Abseits zu diskutieren.
Dabei habe ich eigentlich keine eindeutige Meinung zu dem Thema. Ich habe gar nichts gegen moderne Architektur. Mein Problem ist vor allem, das ich bisher keinen überzeugendenden Ansatz moderner Architektur für diesen Standort sehen kann. Ralf hatte ja behauptet, daß es nicht ausschließlich um eine städtebauliche Entscheidung gehen könnte. Aber dieses ist m.E. genau der Punkt: Wenn man sich so anschaut, was in Potsdam in den letzten zehn Jahren gebaut wurde, dann kommt man nicht unbedingt zu dem Schluß, ein moderner Baukörper könnte das städtebauliche Ensemble am Alten Markt so ergänzen, das er ästhetisch mit der Situation vor der Zerstörung des Schlosses konkurrieren könnte. Wo man auch hinschaut: einfallslose, unförmige, schlecht proportionierte Glas- und Betonklötze, vielleicht noch verklinkert wie der Panzerkreuzer Kaminski am Stadtbahnhof. Alles in allem nicht sehr überzeugend. Nicht das es nicht auch gute, moderne Architektur in Potsdam gibt - Ausnahmen bestätigen die Regel - aber der Großteil ist doch nicht gerade überzeugend. Nun kommt aus meiner Sicht hinzu, daß gerade für diesen Standort, der für Potsdam enorm wichtig ist, ein Experiment mit moderner Architektur eigentlich nicht in Frage kommt. Dazu sind die Erfahrungen zu schlecht. Man stelle sich mal vor, das Experiment geht schief, wie am Bahnhof! Der Schloßstandort ist, vom Bahnhof gesehen das Eingangstor zur Stadt. Der Baukörper des Schlosses markierte den Stadtkern und ein Neubau würde dies wieder tun. Von hier aus hat sich Potsdam städtebaulich entwickelt. Die wichtigen vorhandenen Bezüge Nikolaikirche, Altes Rathaus und Marstall fordern geradezu einen Angelpunkt. Der Alte Markt ist deshalb nur mit einem Baukörper von den Ausmaßen des Schlosses denkbar. Die Verwertungs interessen lassen aber gerade einen solchen Baukörper nicht zu. Der Schloßstandort müßte, wenn sich die öffentliche Hand nicht beteiligt, aus kommerziellen Erwägungen bis aufs letzte ausgeknautscht werden - sowohl unter der Erde als auch darüber (Tiefgarage und komplette Überbauung des Schloßhofes). Deshalb wird ja auch in Erwägung gezogen, einem privaten Entwickler die Standorte des Palais Barbarini sowie der abzureißenden Fachhochschule und Bibliothek noch dazuzugeben, damit sich der Schloßbaukörper überhaupt in einer halbwegs verträglichen städtebaulichen Dimension abspielt. Damit hätte man dann genau den Fall programmiert, der für eine lebendige Mitte geradezu tödlich wäre. Alles aus einer Hand mit einem Betriebs- und Vermarktungskonzept. Womöglich mit den gleichen Überwachungsmöglichkeiten wie in den modernen Einkaufszentren. Und das ist sicher nicht das was die Schloßgegner wollen. Der Baukörper des Schlosses ist deshalb die wahrscheinlich einzige Chance ein ausschließlich kommerziellen Interessen unterworfenes Entwicklungskonzept zu verhindern. Aus diesen Gründen kann aus meiner Sicht nur ein zumindest teilweise öffentlich finanzierter Nachbau bzw. eine Rekonstruktion des Schlosses dem Ziel der Wiedergewinnung der Mitte Potsdams dienen. Neben diesen grundsätzlichen, städtebaulichen und wirtschaftlichen, Erwägungen spielt natürlich die Frage der Nutzung eine entscheidende Rolle. Die Frage stellt sich aber welche Nutzung einen modernen Bau füllen soll. Ich kann zur Zeit keinen Bedarf für die zu schaffenden Flächen sehen. Von mir aus kann der Landtag oben auf dem Berg bleiben. Es ist gar nicht einzusehen, warum dieses Taschenspielerparlament in die Stadt ziehen sollte. Da oben können sie von mir aus ihre Sitzungen abhalten. Wenn jemand in die Stadt ziehen bzw. dort bleiben muß, dann sind es Uni und Fachhochschule. Nach dem studentischen Kulturzentrum wird immer noch gefahndet und ein paar zentrale Einrichtungen wie die Mensa, die ja bei vielen Nulldrei-Anhängern sehr beliebt ist, kann die Innenstadt durchaus vertragen. Deshalb plädiere ich für das Schloß in historischer Form mit universitärer und kultureller Nutzung. Eine öffentlicher Finanzierung ist sowieso notwendig. Diese müßte sich aus dem Verkauf einzelner Parzellen rund um den Schloßstandort speisen, die dann von einzelnen Bauherren nach einem Gesamtkonzept bebaut werden sollten. Damit könnte eine Vielfalt an Nutzungen erzielt werden, die Ralfs Szenario durchaus entgegenkommt.

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