spielbericht rathenow vorherige seite inhaltsverzeichnis nächste seite

Ein trotz des Ergebnisses recht amüsanter Ausflug in die Stadt der Optik erwartete uns am 28. Spieltag der NOFV-Oberliga-Nordost, Staffel Nord. Um kurz vor elf gings vom Hauptbahnhof los mit dem Zug Richtung Wustermark. In Charlottenhof stiegen die sogenannten Ultras zu, von denen einige schon ganz ordentlich zurecht gemacht waren. So richtig Stil und Niveau hatte das nicht (besonders bei der Ankunft in der Gastgeberstadt mit Dynamo-Rufen zu beginnen) – aber das ist vielleicht auch zuviel erwartet. In Rathenow setzten sich der B-Helfer, der Mann aus den Bergen und ich vom übrigen Mob ab, um gemütlich Richtung Stadion zu schlendern. Bei Nieselregen gings über die neue Fußgängerbrücke über die ICE-Strecke Richtung Vogelgesang. Erstaunlich, daß die zahlreich patrouillierende Pozilei diesen neuralgischen Punkt nicht per Video überwacht, wenn die ultralinken Randalierer aus Babelsberg unterwegs sind.
Am Stadion angekommen, suchten wir uns erst mal ein trockenes Plätzchen. Der Rathenower VIP-Raum schien bestens geeignet, um sich mit einem heißen Getränk aufzuwärmen und ein bißchen Kontakt mit den Einheimischen zu suchen. Zunächst hieß es zwar: „Hier is nich für Babelsberger!“. Aber nachdem man sich davon überzeugt hatte, daß wir nur harmlose Fußballfans sind, durften wir bleiben. Der VIP-Raum war recht gemütlich eingerichtet. Das Kabuff erinnerte so ein bißchen an diese Partylocations, die man vom Skifahren in den Alpen her kennt. Nur eben etwas ärmlicher. Statt Rundumverglasung bestand das Teil aus zusammengezimmerten Holzpanelen. Innen war das ganze Teil schön weiß gekalkt. Dazu Plastikstühle, Plastiktische, Plastiktischdecken. Wirklich gemütlich eingerichtet. Auf meine Frage, ob es denn Musik gäbe, bekamen wir irgendeine Erklärung, daß der Fernseher gerade demontiert wäre. Vielleicht wollen sie die Einzelteile bei e-bay versteigern.
Inzwischen hatten hinter dem Tresen zwei A-Jugendliche Platz genommen. Zunächst etwas wortkarg, tauten sie nach einer kleinen Weile auf und berichteten so manches über ihren Verein. Dabei stellte sich heraus, daß sie Rathenow eigentlich gar nicht interessierte. Schade. Dann kam aber Ingo Kahlisch daher, allseits beliebter Trainer und Verfechter der gerechten Sache. Er plauderte ein wenig mit uns. Im wesentlichen ging es darum, daß Nulldrei so blöd sei und das Stadioncatering verpachtet. Dabei könne man an jeder Bockwurst die Millionen verdienen, mit denen man Hertha Am. Paroli bieten könne. Vielleicht hat er gar nicht so Unrecht. Dann erzählte er noch, daß die bösen Unioner ´96 die Holztribüne zerlegten, die wenig später baupolizeilich gesperrt und dann abgerissen wurde. Traurig aber wahr. Circa ne halbe Stunde vor dem Spiel tauchte Peter Ränke auf und beide Trainer plauderten ein wenig beim Kaffee.
So langsam machten wir uns auf den Weg zur Gegengeraden, um dem eigentlichen Zweck unseres Besuches zu fröhnen. Nulldrei bestimmte von Anfang an das Spiel, ohne wirklich zwingende Chancen herauszuspielen. Irgendwann Mitte der ersten Hälfte – oder war es am Ende – gelang Novacic das 1:0. Endlich mal wieder ´ne Führung. Die zweite Hälfte war dann weniger erfreulich. Rathenow gewann mehr und mehr Spielanteile und nach einer Ecke fiel der Ausgleich für die Westhavelländer. Dabei bliebs dann bis zum Schluß.
Der Support paßte sich dem mäßigen Wetter an. Der Singsang war zwar dauerhaft aber nicht sehr laut. Zum Ende hin zeichneten sich einige Nulldreier ganz besonders aus, indem sie wie von der Tarantel gestochen auf die Aschenbahn rannten, um die Mannschaft zu beschimpfen. Trotz allem Verständnis für den Unmut über die derzeit mäßigen Leistungen unserer Elf: Das hat mit Support a la Babelsberg nichts zu tun. Sicher hat die Ausgangssituation nach der Hinrunde die Erwartungen an die Mannschaft gesteigert. Doch der phänomenale Lauf, den unsere Mannschaft im goldenen Herbst hatte, konnte ja nicht ewig so weitergehen.
Zum Abschluß gab es dann noch eine Begegnung der unangenehmen Art. Die örtliche Muckibude hatte ihre gesamte Belegschaft in eigenartige Verkleidungen gesteckt. Diese Kandidaten erwarten uns am Ausgang des Stadions. Vielleicht wollten sie Fange mit uns spielen. Aber ich weiß es nicht so genau. Jedenfalls erklärten die Nulldreier, daß wir wegen ihnen den Krieg verloren haben. Ob sie das begriffen haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich wage es jedoch zu bezweifeln.
Mit dem Zug ging es dann zurück zum Nudeltopp. Ich zog den Weg über Zoo dem Schienenersatzverkehr vor und kam wohlbehalten zu Hause an. Trotz des nicht berauschenden Spieles ein ganz netter Ausflug, den es so in der Regionalliga wohl nicht gibt.

Horst Schmidt

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