der fall karl liebknecht vorherige seite inhaltsverzeichnis nächste seite
 

Neulich im Stadion

Freitag, 12.04.2002. Flutlichtspiel in Babelsberg; Mitte 2. Halbzeit. Eine Frau sitzt auf dem Geländer in der Nordkurve, schaut sich das Spiel an. In ihrem Rücken ist ein Banner mit dem Konterfei des Mannes angebracht, nach dem das Stadion benannt ist. Plötzlich bemerkt sie, wie ein Mann im Anzug die Treppen hochgehetzt kommt. Er steuert direkt auf sie zu und ohne ein Wort zu sagen, zerrt er an dem Banner, wodurch es an ihrem Hals scheuert. Nach vorne ausweichen kann sie nicht, weil unmittelbar vor ihr dieser Mann mit dem vor Zorn erröteten Gesicht steht. Er beachtet sie nicht, sieht nur das Banner. Auch als sie ihm deutlich zu verstehen gibt, daß er ihr weh tut, reagiert er nicht. Mit einer schmerzhaften Kopfverrenkung gelingt es ihr, ihren Kopf aus dieser bedrückenden Lage zu ziehen und hat dabei Glück, daß sie nicht nach hinten ins Leere stürzt. Der Mann hat endlich das Banner abgerissen, rennt mit seiner Beute die Treppen herunter und wild gestikulierend schreit er die erbosten Umstehenden an: “ Wer will mit mir diskutieren? Wer will mit mir diskutieren?...”
Wer ist dieser Mann und kann man mit so einem wildgewordenen Kampfhund diskutieren bzw. lohnt es sich, mit ihm zu diskutieren? Dieser Mann heißt Sven Lehmann, ist oberster Verantwortlicher für die Sicherheit im Stadion und gleichzeitig offizieller Fanbeauftragter des SVB 03.
Begründet hat er sein unbesonnenes und gefährliches Auftreten damit, daß dieses Banner angeblich die Sicherheit im Stadion beeinträchtigt. Um also die Sicherheit der Zuschauer im Stadion zu gewährleisten, agiert er wie ein Elefant im Porzellanladen und riskiert dabei grob fahrlässig die Gesundheit, wenn nicht sogar das Leben eines harmlosen Fans. Er gefährdet also die Sicherheit eines Zuschauers und macht damit genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich machen sollte. Wenn man mal kurz darüber nachdenkt, was einen guten Sicherheitsverantwortlichen auszeichnet, muß die Besonderheit eines Fußballstadions berücksichtigt werden. Dort sind nicht nur Hunderte von Menschen versammelt, sondern diese sind auch oft emotional sehr angespannt, was gelegentlich sogar zu Herzinfarkten führt. Ein Stadion kann sich in ein Pulverfass verwandeln und dann reicht ein kleiner Funke aus, um es zur Explosion zu bringen. Es gibt genügend Beispiele, wo diese Besonderheit des Fußballpublikums zu schweren Unfällen und Toten geführt hat. Aus diesem Grunde sollte sich ein guter Sicherheitsbeauftragter immer bewußt darüber sein, welche Auswirkungen seine Entscheidungen auf das Publikum haben. Dafür ist weitsichtiges Denken die Grundvoraussetzung, aber auch besonnenes Handeln, d.h. in hektischen Situationen bei aufgeheizter Stimmung sich im Unterschied zu manchem Fan nicht zu unüberlegtem Handeln hinreißen zu lassen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren. Leider erfüllt S. Lehmann diese Anforderungen nicht einmal ansatzweise. Seine völlig überzogenes Auftreten war emotional gesteuert und eben nicht durch einen kühlen Kopf gekennzeichnet. Dadurch hat er völlig grundlos Unruhe in die Zuschauer gebracht. Desweiteren machte er sich keinerlei Gedanken darüber, ob jemand durch sein Vorgehen zu Schaden kommen könnte. Berücksichtigt man, daß es ein völlig normales Fußballspiel ohne besondere Vorkommnisse war, kann man sich ausmalen, was passieren könnte, wenn es tatsächlich einmal zu Ausschreitungen oder Panik kommen würde. Ein völlig kopflos agierender S. Lehmann wäre dem niemals gewachsen. Man kann von Glück reden, daß der Sicherheitsbeauftragten S. Lehmann noch keine wirklich gravierenden Vorfälle verursacht hat. Ob das langfristig gut geht, ist fraglich. Den Verantwortlichen von Babelsberg 03 sollte bewußt sein, daß sie ein Risiko eingehen, wenn sie diesen Mann mit einer derart wichtigen Aufgabe betreuen. In dem Augenblick, in dem ein gravierender negativer Vorfall eintritt, ist es zu spät und der Ruf des Vereins wäre nachhaltig geschädigt, was Auswirkungen auf Zuschauerzahlen und Sponsoren hätte.
Die zweite Rolle, die S. Lehmann ausfüllt, ist die des offiziellen Fanbeauftragten, also sich um Belange der Fans kümmern. Diese Funktion kann aber nur der gut ausfüllen, der die Fans des Vereins mag, Lust hat mit ihnen zusammenzuarbeiten, ihre Anregungen ernst nimmt und sie nicht einfach nur als Geldbringer betrachtet. Neben verschiedenen Ereignissen der Vergangenheit hat dieser Vorfall wieder einmal bestätigt, daß ihn die Fans überhaupt nicht interessieren, ihm egal ist, ob es sie gibt oder nicht. Bei seinem Auftreten hat er die sitzende Person anscheinend überhaupt nicht wahrgenommen. Und dabei hätte er doch einfach fragen können, ob sie mal kurz das Geländer verläßt. Aber nein, kein einziges Wort kam über seine Lippen. Hatte er Angst zu diskutieren, obwohl er kurze Zeit später genau das den Fans anbot? Will er überhaupt eine Diskussion führen, die sich ja bekanntlich dadurch auszeichnet, daß Personen mit unterschiedlichen Meinungen, ihre gegensätzlichen Standpunkte darlegen und im Anschluß daran vielleicht ein Kompromiß gefunden wird. Sein Benehmen beantwortet diese Frage. Er schafft Tatsachen, ohne überhaupt zu fragen, woraus man schließen kann, daß er gar nicht an einer Diskussion interessiert ist. Auch hält er es nicht für nötig sich zu entschuldigen, obwohl nun schon mehr als eine Woche vergangen ist und er mittlerweile wegen dieses Vorfalls bei der Polizei vorgeladen wurde. Wieder einmal zeigt sich, was ihm der Fan bedeutet.
Letztlich liegt es in den Händen der Vereinsverantwortlichen. Sie haben bestimmte Vorstellungen wie der SV Babelsberg 03 aussehen soll, d.h. welche Merkmale den Verein auszeichnen. Dazu wählen sie Personen aus, die bestimmte Aufgaben erfüllen sollen. Je nachdem, ob sie mit deren Arbeit oder Auftreten zufrieden sind oder nicht werden sie Veränderungen durchführen. Somit spiegeln sich in den Mitarbeitern eines Vereins die Interessen und der Willen seiner Führung wider.

Mario 



ABSEITS Nr: 46 vorherige seite inhaltsverzeichnis nächste seite