Interview mit Karl Heinz Schröder
Babelsberger Torwartlegende
Karl Heinz “Schrippe” Schröder brauch man eigentlich im Abseits nicht mehr vorzustellen. Dennoch eine kleine Zusammenfassung seiner sportlichen Laufbahn: Am 24.7.1919 in Nowawes geboren, begann er mit 9 Jahren bei Nowawes 03 mit dem Fußballspiel. Mit 16 debütierte er bereits in der I.Mannschaft. Spielte nach dem Krieg kurzzeitig für Holstein Kiel und den VfR Mannheim. Ab 47 bei der SG Babelsberg, später MV und Rotation. Absolvierte zwischen 1949 und 1957 138 Oberligaspiele, wurde 1949 Brandenburgischer Landesmeister und spielte in Berliner und Brandenburger Auswahlmannschaften. Später war “Schrippe” Trainer von Rotation Babelsberg und zuletzt Ehrenvorsitzender beim SV Babelsberg 03.
Fast 84 Jahre Babelsberger, da hast du ja schon einige Höhen und Tiefen des Babelsberger Fußballs erlebt. Was sind Deiner Meinung nach die gravierensten Unterschiede zwischen dem Fußball heute und dem zu Deiner aktiven Zeit?
In der Frage wurde ich vom damaligen Präsidenten Kaminski sehr schnell aufgeklärt. Er sagte, Babelsberg 03 ist jetzt kein Sportverein mehr sondern ein Wirtschaftsunternehmen. Hier gelten andere Maßstäbe. Das war damals auf meine Frage hin, ob man nicht gestandenen Babelsberger Fußballern ne Sitzplatzkarte geben könne...
Weißt Du, ich bin mit 9 Jahren bei Nowawes 03 eingetreten und habe viele gute und schlechte Zeiten erlebt. Aber bankrott gegangen, so was gabs nicht. Man muß natürlich haushalten, d.h. mehr Geld als ich habe, kann ich auch nicht ausgeben. Aber wahrscheinlich kann man das mit heute nicht mehr vergleichen...
Wie konnte es Deiner Meinung nach zur jetzigen Situation kommen?
In erster Linie sehe ich die Ursachen im schlechten Managment und der katastrophalen Finanzpolitik des Vereins. Wenn ich an die Spieler denke, die sich der Verein von Hannover 96 hat andrehen lassen, da ziehts dir die Schuhe aus. Masse statt Klasse. Bis auf den Molata vielleicht, aber der hat ja schnell gesehen, das hier nichts läuft und spielt jetzt bei Union ‘ne gute Rolle.
Und dann Horst Franz, diesen arroganten Clown zu holen, der zuletzt vor 10 Jahren mal ‘nen Verein trainiert hat und hier ‘n Maxen jemacht hat. Und so ging das weiter, erst dieser Salov, der ja garnichts gebracht hat und Sandhowe. Hinten mauern und nen langen Ball nach vorne schlagen. Das ist doch auch kein Fußball. Der kam erst mit der Rückkehr von Hermann Andreev wieder.
Das sehe ich auch so. Und wenn man sieht mit welchem Aufgebot dann teilweise die Punkte eingefahren wurden, dann kann es doch nicht am schlechten Spielermaterial gelegen haben...
Das stimmt. Bei den letzten Heimspielen hat man gesehen, das die Truppe mehr drauf hat. Aber ich war immer der Meinung, das mit der Mannschaft die Regionalliga zu halten gewesen wäre. Von den Gegnern, die ich hier bei den Heimspielen gesehen habe, gibt es keine Handvoll, die stärker als Babelsberg war. Vielleicht Osnabrück oder Essen.. .Aber die Einstellung der Mannschaft muß stimmen. Ich hatte oft das Gefühl, das keiner so richtig Lust hatte. Und wenn ich Spieler wie Härtel sehe, die sich regelmäßig rote Karten wegen unnötigen Fouls oder Meckerns einfangen und so die Mannschaft schwächen. Die spielen immer wieder, die hätte ich auf die Bank gesetzt und die Jungs spielen lassen, die mit dem Herzen dabei sind. Solche wie zuletzt auf dem Platz standen.Wenn man das Trikot eines Vereins überzieht, muß man auch bereit sein, von da ab sein bestes zu geben. Das ist zumindest meine Meinung. Auch ein Lars Kampf wird sich noch umgucken, dem wird’s nicht anders ergehen wie dem Küntzel.
Du hast ja schon mal erwähnt, das kaum noch Babelsberger Jungs auf dem Platz stehen. Ist das auch ein Grund?
Ich habe nie das Gefühl gehabt, das die Spieler für Babelsberg spielen. Ich muß doch zumindest versuchen, zuhause meine Heimstärke auszuspielen und auswärts vielleicht mal zu punkten. Aber hier kamen die Gegner her, haben nach fünf Minuten das erste Tor geschossen und die Punkte am Ende mitgenommen. Wenn wir damals verloren haben, bin ich heimlich hinten aus dem Stadion geschlichen und habe über Seitenstraßen den Heimweg gesucht. Aber den Spielern heute scheint das doch alles egal zu sein. Der ganze Sport wird doch durch das viele Geld kaputt gemacht. Und wenn ich solche Pupenvereine wie Altlüdersdorf sehe, wie schon da das Geld zum Fenster rausgeworfen wird...
Wie war das zu Deiner aktiven Zeit? Gabs da schon Geld?
Also in den Dreizigern gab es immer Marken vom Verein, z.B. welche für Kaffee, Bier oder ein Essen. Die konntest du dann abends im Lindenpark, wo wir immer eingekehrt sind, einlösen. Aber man konnte die Marken auch sammeln und bei Vereinsmitgliedern, die einen Laden hatten gegen andere Sachen einlösen, z.B. mal ein Hemd oder’nen Hut. Die haben dann die Marken beim Verein wieder eingelöst. 1948/49 gabs vielleicht mal ein warmes Essen vom Fleischer nebenan zum Training, mehr nicht. Später in der Oberliga gabs mal 40 oder 50 Mark für nen Sieg. Wir sind ja damals alle arbeiten gegangen.
Du standest doch auch mal vor einer Situation Geld oder Babelsberg...
Naja, nicht ganz. Ich war nach dem Krieg in Mannheim gelandet und der VfR wollte mich verpflichten. Ich hatte sogar schon den Spielerpaß und die hatten mir 200 Mark Vorschuß gegeben. Dann bin ich aber nochmal mit meiner Frau nach hause, nach Babelsberg gefahren und hier wußten schon alle Bescheid. Meine Eltern und die Funktionäre überzeugten mich damals in Babelsberg zu bleiben und hier mit etwas aufzubauen. Das Geld und den Paß habe ich dann zurückgeschickt. Mannheim ist damals sogar Landesmeister geworden. Aber ich habe den Schritt nie bereut und das unter Bedingungen, bei denen heute keiner mehr ein Schuh anziehen würde.
Nochmal zurück zur heutigen Zeit. Warst Du als Ehrenpräsident bei den damailgen Vorstandsitzungen, wo angeblich immer alles einstimmig beschlossen wurde, dabei? Wurde überhaupt Kritik geübt?
Ich hatte die Berechtigung, an den Treffen teilzunehmen und konnte auch meine Meinung sagen. Bei der damaligen Ein-Mann-Führung biste da aber regelmäßig auf Granit gestoßen. Der Nachfolger war dann noch enttäuschender. Ein gestandener, promovierter Wirtschaftsexperte und der hat die Sache dann völlig in den Sand gesetzt. Jetzt schiebt wieder jeder die Schuld auf den anderen, aber als Aufsichtsratschef hat Schulten die Entscheidungen Kaminskis damals doch mitgetragen. Ich selbst war oft bei Vorstandssitzungen dabei, aber die wichtigen Sachen wurden dann immer intern, im geschäftsführenden Vorstand, entschieden, z.B. welche Spieler verpflichtet werden. Ich hab mich dann immer gewundert, wer denn schon wieder der neue Spieler auf dem Platz ist.
Mit der Namensgebung vom SV Babelsberg 03 warst Du ja damals auch nicht so einverstanden?
Ja, denn Babelsberg 03 wurde nach Kriegsende aufgelöst. Nach dem Krieg haben dann Spieler und offizielle der drei Babelsberger Vereine, also Nulldrei, Eintracht und Sportfreunde mit der SG Babelsberg eine völlig neue Mannschaft gegründet, deren Nachfolge später Rotation war. Und dann die Geschichte mit dem SC Potsdam, wo Rotation die besten Spieler hingeben mußte. Als der SC dann krachen ging, wollte man die Spieler bei Rotation nicht mehr zurück und so wurde angeordnet, das das Karl-Marx-Werk und deren BSG, also Motor, den Platz einnehmen soll. Und während aus Rotation später Fortuna wurde, hat sich Motor Babelsberg 91 in SV Babelsberg 03 umbenannt. Es ist meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt, wenn man von “100 Jahren SV Babelsberg 03” spricht, es müsste heißen “100 Jahre Babelsberger Fußball”. Da bin ich bei den Leuten da oben aber schnell auf taube Ohren gestoßen, das wollte keiner hören.
Was wünschst Du Dir für die Zukunft des Vereins?
Man muß erstmal abwarten, wie und wo es jetzt weitergeht. Sollte es in der Oberliga weitergehen, dann mit einem Trainer, der den Babelsberger Fußball kennt, der gern mit jungen Leuten arbeitet und wenn die Möglichkeit besteht, in der Lage ist, die Truppe punktuell zu verstärken. Leider hängt ja heute alles am Geld. Wichtig ist, z.B. für die jungen Spieler eine berufliche Perspektive in Babelsberg zu schaffen, Ausbildungsplätze, Arbeitsstellen. Das ist doch wichtiger, als ein paar Mark für ein paar Jahre. Trainer, Vereinsführung und Mannschaft müssen an einem Strang ziehen und nicht nur aufs Geld schauen. Die Sponsoren sollten erkennen, das es wichtig ist, die gute Nachwuchsarbeit der letzten Jahre in Babelsberg zu unterstützen. Es wäre eine Schande, wenn die Jugendabteilung zu grunde geht. Es muß wieder das Ziel werden, jedes Jahr 1 oder 2 Spieler in die I.Mannschaft zu integrieren. Die Jung’s können’s doch, wie man gesehen hat, sie wurden nur nie gelassen. Ich habe mich manches mal gefragt, wer da so alles unter Franz, Salov und Sandhowe auflaufen durfte. Am besten wäre, wenn der Rumpf der Mannschaft aus den eigenen Reihen kommen würde, ergänzt mit fähigen Zugängen.
Und was wünscht Du Dir von den Fans?
Schon von meiner Zeit als Spieler weiß ich, wie wichtig die Fans, damals hieß es noch Anhänger, sind. Wichtig ist aber, daß man objektiv und ehrlich ist und die Mannschaft unterstützt. Und nicht, wie in Dresden oder gerade beim Spiel Stendal - Rostock, sich prügelt, sodaß das Spiel unterbrochen werden muß.
Das sind in meinen augen auch keine Fans und solche haben wir ja hier zum Glück nicht in Babelsberg.
Ja, das ist auch gut so. Was ich aber nicht verstehe, ist das ganze Feuerwerkszeug oder Raketen, die auf den Platz geschossen werden. Da sollte man doch aufhören, wenn man dazu aufgefordert wird. Das hat den Verein immer viel Geld gekostet. Das kann man doch vor oder nach dem Spiel machen, oder in der Pause.
Eine Frage noch zum Abschluß. Wer ist oder war der beste Babelsberger Spieler aller Zeiten Deiner Meinung nach?
Ganz klar Hans Schöne. Der hat nicht nur viele Tore geschossen, der konnte auch mit dem Ball perfekt umgehen.
Und der beste Torhüter?
Schwer zu sagen, in Babelsberg hatten wir schon immer gute Torwächter. Ich dachte zum Saisonbeginn auch, das der Oli Herber so einer wäre. So wie er angekündigt wurde, mit guter Ausbildung bei Hertha BSC und Reinickendorf. Aber das hat sich ja schnell zerschlagen und nun hat er ja den Verein verlassen. Einerseits versteh ich ihn, andererseits nützt es nichts, ein ewiges Talent zu sein, er muß beständiger werden. Sonst wird er in Dresden oder wo auch immer nur die zweite Wahl bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch und hoffen wir auf ein Fortbestehen unseres Vereins in der Oberliga.