Neulich im Fanladen
Es war einer dieser Mittwochabende, an denen ich, erschöpft vom Tageswerk, in unseren geliebten Fanladen einkehrte. Ich sehnte mich nach kulturellen Hochgenüssen, sprich: nach Fußball sowohl auf dem Bildschirm, als auch am Kickertisch und verzehrte mich geradezu nach zahlreichen hochtrabenden Gesprächen mit der versammelten Babelsberger Ultra- und Kuttengemeinde. Meine Kehle lechzte nach Benetzung mit leckeren Getränken wie verschiedenen Säften, Bitter Lemon oder Tonic. Nur, die sehr freundliche Barbedienung bereitete diesem Anliegen ein jähes Ende. Etwas befremdet wurden meinem Ansinnen entgegnet, ich solle doch (endlich wieder) Alkohol trinken und überhaupt: Derartiges Alkfreies gab´s und gibt´s leider nur in Verbindung mit Cocktailparties, (wie letzten Herbst). Eklig-süße Cola und Fanta hingegen könnte ich soviel Trinken, bis ich Läuse im Bauch hätte (So sagte meine Omi früher immer). Nun ja, ich war kurz davor meine Weißen Wochen (so von mir bezeichnete Abstinenzphase) zu beenden, aber mein bekannter Trotzkopf hielt mich davon ab und so süffelte ich den ganzen Abend an einer eigenhändig hergestellten Mischung Mezzomix, die bei mir Sodbrennen der übelsten Sorte hervorrief.
Dieses Erlebnis hinterließ aber nicht nur den erwähnten sauren Abgang im Schlund. Daneben trat ein befremdliches Gefühl der Irritation, das mich ins Sinnieren kommen ließ: da wird das Kiffen im Fanladen als unerwünscht eingestuft, aber der Alkoholkonsum wird in keiner Weise kritisch hinterfragt bzw. man wird, durch beschriebenes (Nicht) Angebot von Nichtalkoholischen, dazu fast genötigt.
Nun gibt´s den Fanladen schon ´ne ganze Weile und ich hätte mein versoffenes Hirn und Mundwerk auch schon früher betätigen können, aber wie gesagt, erst die Weißen Wochen verdeutlichten mir die Situation, die ich früher als eher nebulös und nur partiell problematisch auffasste. Und es kann sein, daß in Bälde, wenn der Alk wieder Besitz von mir ergriffen hat, dieses Problem wieder in Vergessenheit gerät. Um also einer alkbedingten Amnesie eins auszuwischen, jetzt einige aus der Sicht eines momentan trockenen Trinkers ketzerische Gedanken, die mich an selbigen Abend überkamen und derer ich jetzt noch gerade so habhaft werden kann:
Ich weiß nicht genau, ob der Fanladen und seine Besucher irgendeine Vorbildwirkung für Jugendliche haben sollte, wie sich das vielleicht Anhänger einer wie auch immer gearteten Sozialpädagogik vorstellen (und wie die Einstellung eines Sozialarbeiters vielleicht nahelegt)...Meiner bescheidenen Meinung nach nicht, denn was sind schon Vorbilder ?! Vorgefertigte Lebenspläne ! Abziehbilder, die es auf´s eigene Leben zu übertragen gilt; die immer eine dressierende und manipulierende Intention verfolgen; Ideale, die es dann bloß nicht zu mißachten gilt. Eine Art der Selbstüberwachung ist nur ein denkbares Resultat einer Identifikation mit einem Idol...( "Kill Your Ideals")
Nee, vielmehr sollte ein Fanladen die Kommunikation zwischen Alt und Jung anregen und generell eine größtmögliche Anzahl von Lebensentwürfen und Lebensweisen präsentieren, ohne mit erhobenen Zeigefinger zu operieren, aus der sich ein jeder/-e das für sich passende heraussucht oder, noch erfreulicher, was gänzlich Neues kreiert. Dazu gehört selbstverständlich auch der Umgang mit Drogen. Nur, so meine Einschätzung, sind gerade hier von alternativen Vorstellungen keine oder kaum Spuren zu finden. Es scheint vielmehr die "Fanweisheit": FUßBALL FICKEN ALKOHOL als allgemeine Übereinkunft vorzuherrschen...
Naja, vielleicht ist das ein bißchen überspitzt formuliert, aber an den meisten Spieltagen wird Biergenuß zum NONPLUSULTRA, zum absoluten Muß erklärt...also lautet die Devise (so manches Male auch die meine): erst vor dem Spiel noch zwei Biere, dann im Stadion noch zwei bis drei Becher, um danach im Fanladen wieder die Luft in die Flaschen zu lassen...dagegen gibt´s nix einzuwenden, nur scheint es mir so, als es dazu gar keine Alternative gäbe bzw. gar nichts anderes mehr in Betracht gezogen wird. Und daß sich an Spieltagen relativ wenige Frauen und Mädchen im Fanladen einfinden, ist eine unbestreitbare Tatsache, die vielleicht auch mit dem Alkohol und dem enthemmten Verhalten bzw. Rumgeprolle zusammenhängt.
Meine Sichtweise auf die momentane Situation steht jedenfalls fest:
Alkohol wird nicht mehr genossen, d.h. die herrliche köstliche berauschende Wirkung wird nicht mehr im Rahmen einer möglichen Selbsterfahrung und -gestaltung wahrgenommen. Vielmehr ist der Konsum in eine ritualisierte Form übergangen, so wie für einige die Zigarette nach dem Frühstück unhinterfragbar zwanghaft geworden ist. Nee, natürlich ist daran nicht der Fanladen Schuld. Darauf kommt´s mir auch gar nicht an. Fußball und Alkohol sind zwar momentan, so scheint es zumindestens, untrennbar miteinander verbunden. Das ist einfach wertfrei festzustellen, denn solange die Gesellschaft so ist, wie sie ist, nämlich darauf konzentriert den Menschen auf seine Arbeitskraft zu reduzieren, werden das Spektakel, Identifikationen, Konkurrenzen, Enthemmungen und die Vortäuschung von Lebensgefühl (durch den Alkohol) benötigt. Wer das eine akzeptiert, wird höchstwahrscheinlich auch das andere nicht ablehnen. Deswegen ist aber weder der Fußball, noch der Alkohol zu verdammen, ganz im Gegenteil.
Was mich aber nervt, sind vielmehr die beschriebenen bescheuerten Ritualisierungen des Konsums, d.h. das geistlose Abfeiern des Saufens als Kult, und die Verbindungen mit Männlichkeits- und Härteidealen, die sich auch bei uns zahlreich finden...
Ich übertreibe ? Nur mal ein paar Beispiele: Ich erinnere mich z.B. an den ABSEITSpoll 2001 und dessen Frage nach alternativen Stadiongetränken. Na, da wurde dann im Ergebnis getitelt "Kakao/ Tee/ Kirschbananensaft für die Muttiküsser". Alles klar, "harte Männer" trinken keinen Saft...
Eine Ausnahme ? Nur Satire ? Vielleicht....Allein ein weiterer Blick in die ABSEITSBerichte von den Auswärtsfahrten eröffnet eine andere Perspektive. Man findet darin eigentlich fast immer die Antworten darauf, ob es im jeweiligen Stadion "richtiges !!" oder alkoholfreies Bier gab, wieviele der jeweilige Autor intus hatte, wer alles Ausfallerscheinungen aufwies usw...das ist auf Dauer nicht nur langweilig, es zeichnet eben auch das unhinterfragte Bild einer Zusammengehörigkeit von Fußball und Alk (und allzu oft Männlichkeit)...
Und dann sind da ja auch immer noch die schönen "Entgleisungen" einiger Supporter. Gut, manchmal ist das auch lustig, wie z.B. der junge Mann in Bremen, der von der "feuchten" Zugfahrt erledigt, die komplette erste Halbzeit verpaßte, weil er, an einem Absperrzaun liegend, eingepennt ist (sieht Abbildung). Gleichzeitig war ich aber froh nicht die "Ochsentour" mit dem Zug nach Bremen mitgemacht zu haben, denn was da ins Stadion nach einigen Stunden Fahrt wankte, spottete jeder Beschreibung.
Ich bin aber ehrlich gesagt spätestens dann unangenehm berührt, wenn im Fanladen die jüngere Klientel ihr Netto-Dosenbier (würg: Darguner Export) mitbringt, sich regelmäßig die Kante gibt und auf Geburtstagspartys Pin-Up-Girls anbringt. Ich weiß dann, ehrlich gesagt, nicht genau, im welchen Verhältnis das eventuell auch zu meinem eigenen Verhalten steht. Immerhin lebe ich dieses Verhalten, mit Ausnahme des letzten Punktes, oft genug vor...
Worauf will ich eigentlich hinaus ? Nun, ich will es mal so sagen: also, ich hab für mich selbst beschlossen, aus dieser ritualisierten Form des stupiden Saufens auszubrechen und den Alk wieder zu genießen. Ein erster Schritt dahin ist für mich die Feststellung, daß es eben keine zwingende Notwendigkeit gibt, Fußball und Alkohol zusammen zu denken bzw. zu genießen. Deshalb werde ich zwar nicht wie Don Quijote den Kampf gegen Windmühlen aufnehmen, aber was ich vehement einfordere, ist eine entscheidende Ausweitung des Getränkeangebots im Fanladen. Es ist mir egal, ob andere dieser Artikel einfach nur am Arsch vorbeigeht. Ich jedenfalls träume von Sturzbächen Johannisbeersaft, von Pfirsichsaftschorle, von Oasen voller Bananen-, Schoko, Erdbeermilch, von Gin Tonic ohne Gin. Ich möcht mich laben am erfrischenden Rinnsal von Lemon und Ginger Ale ...Ich fordere einfach eine Alternative neben 9 verschiedenen Sorten Bier. Ich finde nicht, daß das zuviel verlangt ist...
Legalize It All
Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit...
Carlito